Noch 1000 Schritte

Ich habe mir dieses App heruntergeladen, mit dem man seine Schritte zählen kann. Aber ich habe den Fehler gemacht, dem App zu erlauben, die Daten meiner Krankenversicherung zu übermitteln. Eigentlich kannst Du nur gewinnen, hatte ich mir gesagt. Machst Du die 10’000 Schritte am Tag, kriegst Du den halben Euro gutgeschrieben, Schaffst Du es nicht, ist nichts verloren.

10’000 Schritte, habe ich mir gedacht, die machst Du locker. Morgens und abends den Kilometer zur Bahnstation, mittags zweimal die 500 Meter zur Kantine und zurück. Das müsste schon mal gute 6000 Schritte ergeben. Dann noch einige Male die dreissig Schritte zur Kaffeemaschine, zehnmal die 50 Schritte zum Lift und vors Gebäude zur Zigarettenpause und zurück gibt bestimmt nochmals 2000 Schritte. Dann geht man noch regelmässig zum Sitzungszimmer. 10’000 Schritte müssten also zu schaffen sein. Damit liessen sich gute 150 Euro an Prämien im Jahr einsparen und das würde mir einen Monat Zigarettenkonsum finanzieren.

Leider war meine Rechnung etwas optimistisch. An einem normalen Tag kam ich nicht über 8000 Schritte. Das führte mir mein App täglich vor und monatlich dokumentierte dann meine Prämienabrechnung mein Versagen schwarz auf weiss. Dass ich meinen Zigarettenkonsum weiter ganz alleine finanzieren musste, war das Eine. Aber ich fragte mich, was sich die Krankenversicherung wohl denkt. Würde sie davon Notiz nehmen? Und könnte es sein, dass meine unzureichende Schrittzahl eines Tages gegen mich verwendet würde? Ich könnte das App einfach löschen. Aber auch das könnte im Prinzip gegen mich verwendet werden. Warum würde jemand, der täglich seine 10’000 Schritte schafft, das App löschen?

Als erste Massnahme begann ich, das Smartphone dauernd auf mir zu tragen. Das ergab nochmals fast 1000 Schritte für den Weg zum Kopierer, für die paar Schritte in meiner Wohnung, ja auch beim Gang zur Toilette musste es mit. Als nächstes gewöhnte ich mir an, an der Bahnstation auf der Stelle zu treten, während ich auf den Zug wartete. Die Leute schauten mich zwar komisch an, es brachte aber je nach Wartezeit nochmals gegen 1000 Schritte. Jetzt kam ich manchmal knapp über und das andere Mal knapp unter 10’000 Schritte. Die paar Dutzend Schritte, die mir ab und an fehlen, kann ich vor dem zu Bett gehen nachholen, indem ich das Smartphone in der Faust haltend rhythmisch auf den Oberschenkel schlage.

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