Die Papiersammlung

Der Schweiz droht eine Tradition verloren zu gehen, die Generationen von Jugendlichen geprägt hat. Die Papiersammlung. Das Sammeln von Altpapier ist in vielen Schweizer Gemeinden ein Weg, wie sich Vereine, oft Jugendorganisationen, einen Teil ihres Budgets finanzieren. Papiersammlungen waren zudem immer tolle Erlebnisse. Man verbrachte einen ganzen Tag zusammen, arbeitete körperlich, was für viele von uns (Gymnasiasten) eine Abwechslung darstellte, man tat etwas Gutes für die Vereinskasse und schuf einen Anlass, um am Abend noch bei einigen Bieren fröhlich zusammenzusitzen.

Bei jeder dieser Papiersammlungen kommen kompromittierende Dokumente zum Vorschein. Am häufigsten sind es Pornohefte, die zwischen die Seiten von seriösen Tageszeitungen geklemmt und in einem extra straff geschnürten Bund geklemmt wurden. Manchmal sind es persönliche Briefe, die Familieninternas preisgeben oder Hinweise auf Finanzprobleme. Einfach zu finden sind solche Dokumente nicht, sind sie doch oft zwischen Zeitschriften und Zeitungen gelegt worden. Aber wenn man systematisch alle Papierbündel aufschneiden, alle Zeitschriften und Zeitungen am Bund haltend ausschütteln und alle herausfallenden Dokumente analysieren würde, dann kann es schon sein, dass man häufiger fündig wird.

Das müssen sich wohl die Turner von Rhystadt auch gedacht haben. Auch der Schritt, die gefundenen, kompromittierenden Dokumente dazu zu verwenden, um die Betroffenen zu einem Zustupf an die Vereinskasse zu ermuntern, ist eigentlich naheliegend. Oft reichte die Drohung, das kompromittierende Dokument hundertfach zu vervielfältigen und gezielt in der Stadt zu verteilen, um die Spende zu erwirken. Im zweiten Jahr flogen die Erpressungen auf und warfen hohe Wellen, weil es um ärztliche Unterlagen einer nationalen Politikerin ging.

Seit diesem Vorfall wird über eine Abschaffung dieser anachronistischen Methode Altpapier zu entsorgen diskutiert. Sie stelle in höchstem Masse eine Gefährdung der Privatsphäre dar. Den Einwand, jeder sei selber verantwortlich dafür, welche Dokumente im Altpapier landen und was im normalen Hauskehricht entsorgt werde, lässt man nicht gelten. Man könne nicht von jedermann erwarten, dass er oder sie sich ausmalen tue, dass persönliche Dokumente, im Altpapier entsorgt, missbraucht werden könnten. So wird das Parlament also in seiner Herbstsession über eine Vorlage zur Professionalisierung der Altpapierentsorgung beraten müssen.

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