Die Neophyten

Ich war eigentlich nie ein Freund von Naturfreunden. Mit diesem Getue um Bachputzete und Waldbereisungen konnte ich nichts anfangen. Aber Neophytenjagden finde ich geil! Dazu gestossen bin ich zufällig. Ein Freund hatte mich auf einen Aufruf in der Lokalpresse aufmerksam gemacht. Dieser lautete: «Helfen Sie uns, unsere Heimat zu bewahren». Und es wurde ausgeführt, dass sich einige der eingeschleppten Pflanzen aggressiv ausbreiten und einheimische Arten bedrohen. Dass das Aufspüren und Entfernen dieser Eindringlinge arbeitsintensiv sei und man daher unbedingt auf die Hilfe von freiwilligen Helfern aus der Bevölkerung angewiesen sei. Das sprach uns an. 

Man traf sich am letzten Samstagnachmittag vor dem Gemeindehaus, wo uns der Leiter des Werkdienstes empfing. Nach einer kurzen Begrüssung ging er nochmals ausführlich darauf ein, warum es wichtig sei, diese fremden Pflanzen auszumerzen. Durch deren Ausbreitung würden sie einheimische Kulturen verdrängen, wodurch ein ganzes lokales Ökosystem durcheinandergeraten könne. Er stellte uns die schädlichsten dieser Eindringlinge vor, erklärte deren Hauptmerkmale und gab uns auch Profilkärtchen ab, wo die Pflanzen in verschiedenen Entwicklungsstadien abgebildet waren. Wir erhielten auch Kärtchen, für ähnlich aussehende heimische Pflanzen, damit wir nicht im Übermut auch die einheimische Flora ausrotteten, wie er mit einem Schmunzeln meinte. Danach erhielten wir alle einen Kerichtsack, um die Pflanzen einzusammeln und es wurden uns Sektoren des Gemeindegebiets zugeteilt. Zum Schluss rief er uns in Erinnerung, dass wir nur auf gemeindeeigenen Grundstücken – diese seien auf unserem Sektorplan klar gekennzeichnet – Pflanzen ausreisen dürfen. Die Vernichtung von Neophyten auf Privatgrundstücken sei Sache der Eigentümer. 

Und los ging’s. Anfänglich war es gar nicht so einfach, die Pflanzen eindeutig zu identifizieren und wir mussten oft unsere Steckbriefe – wie wir die Profilkarten nannten – zu Hilfe nehmen. Mit der Zeit aber bekamen wir Übung in der Sache und konnte recht schnell anhand der Blüten, Blätter oder Stämme treffsicher zwischen fremden und einheimischen Pflanzen unterscheiden. Auf Gemeindegebiet selbst fanden wir gar nicht so viele Pflanzen. Nach etwa zwei Stunden waren unsere Kerichtsäcke nur halb voll. Hätten wir auch die Eindringlinge aus Gärten entfernt, wären unsere Säcke wohl schon voll gewesen. Immer wieder trafen wir auf Gärten, wo die Fremdlinge ungestört gedeihen konnten. Ein bisschen begannen wir uns zu fragen, ob es Sinn macht, das Gemeindegebiet zu säubern, wenn Private nichts dagegen tun. Ich finde, wer in seinem Garten diese Invasoren duldet, sollte sich nicht auf seine privaten Rechte berufen können. Ohne Pflichten keine Rechte könnte man sagen. Wir nahmen uns vor, das bei einer nächsten Aktion einzuwenden. 

Treffpunkt nach dieser Säuberungsaktion waren die grossen Familienfeuerstellen am Waldrand. Als wir ankamen brannten da schon drei grosse Feuer. Der Inhalt unserer Kerichtsäcke wurde in eines der Feuer gekippt, um die Invasoren endgültig unschädlich zu machen. Alle Teilnehmer wurde auf Gemeindekosten mit Brot und Wurst vom Grill und mit Bier oder Mineralwasser für den Einsatz belohnt. Einige der führen Rückkehrer, die schon mehrere Biere gekippt hatten, begannen dann mit grossem Geheul um die Feuer zu tanzen und zu rufen: «Tod den Neophyten! Tod en Neophyten!» Wir alle verspürten einen ungemeinen Stolz, gemeinsame etwas für unsere heimischen Natur getan zu haben und so wurde das Ganze ein gelungener Anlass. Mein Freund und ich nahmen uns vor, nach Aufrufen zu Neophytenjagden in der Umgebung Ausschau zu halten.

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