Archive for the ‘Deutsch’ Category

Meine Partei

Tuesday, November 1st, 2022

Nein, ehrlich gesagt bin ich nicht in der Partei, weil mir Arbeiter so sehr am Herzen liegen würden. Eigentlich verabscheue ich diese. Sie sind ungebildet und einfach gestrickt, drücken sich politisch so unkorrekt aus, dass einem die Ohren schmerzen, messen die Qualität einer Mahlzeit an der Menge Fleisch, die gereicht wird und gut ist, was billig ist, egal wie oder wo es hergestellt wurden. Also ein ziemlich widerlicher Schlag Mensch, der uns sicher nicht in eine bessere Zukunft katapultieren wird.

Was mich mit der Partei verbindet, sind die Leute, die da Politik machen. Alle haben Geschichte, Politologie, Jura oder sonst was Spannendes studiert. Alles gebildete Leute mit denen man Visionen formulieren und vorzüglich diskutieren kann. Da heisst es nicht immer «können wir uns nicht leisten» oder «in der praktischen Umsetzung wird das schwierig». 

Dass ich einfache Leute nicht mag, soll nicht heissen, dass ich in der Sozialdemokratie am falschen Ort wäre. Mir ist schon wichtig, dass alle ein gutes Leben haben und ich bin sehr dafür, dass die Reichen dafür bezahlen sollen. Eigentlich können Arbeiter ja gar nichts dafür, dass sie so einfach gestrickt sind. Es fehlt ihnen am nötigen Horizont. Drum bin ich auch für den Einsatz staatlicher Medien, um zur notwendigen Horizonterweiterung beizutragen. 

Die Bekehrung

Saturday, October 1st, 2022

Ja, ich gestehe, ich gestehe alles, nehmt nur dieses glühende Eisen weg!

Ja, ich habe Fleisch gegessen!
Ja, ich bin mit dem Flugzeug gereist!
Ja, ich habe von einem Porsche Cayenne geträumt!
Ja, ich habt Schwulenwitze erzählt!
Ja, ich habe Winnetou gelesen!
Ja, ich habe mein Gesicht schwarz angemalt und Balthasar gespielt!
Ja, ich habe Mohrenköpfe gegessen!
Ja, ich habe Blues gespielt!
Ja, ich habe im Winter Erdbeeren gekauft!
Ja, ich habe unsere Katze im Freien jagen lassen!
Ja, ich habe schon an der Börse Geld verdient!
Ja, ich habe Kryptowährungen geschürft!
Ja, ich habe warm geduscht!
Ja, ich habe pornographische Magazine konsumiert! 

Reicht Euch das? Ich kann noch viel mehr gestehen! Bleibt mir nur mit dem glühenden Eisen vom Leib!

Gravitationsgesetze

Thursday, September 1st, 2022

Das Gravitationsgesetz der Politik besagt, dass jeder Politiker zu Fall gebracht werden wird. Lange hatten wir gedacht, dass Christoph sich diesem Gesetz entziehen, respektive es widerlegen würde. 

Schon im Gymnasium war er darauf bedacht, keine Fehler zu machen und nichts Falsches zu sagen. Er achtete peinlichst drauf Regeln einzuhalten. Eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn sich alle an die Regeln halten, war sein Credo. Er konnte sich leidenschaftlich in Diskussionen einbringen, wählte aber seine Worte immer stets vorsichtig und achtete streng darauf, sachlich zu argumentieren. Wenn er glaubte, dass ihm zu einem Thema das Hintergrundwissen fehlt, gab er das offen zu und hielt sich aus der Diskussion raus. 

Seine Politkarriere verlief zwar nicht kometenhaft, aber sehr stetig. Er war kein charismatischer Politiker, aber seine Sachkompetenz war allgemein anerkannt. So war es ihm möglich, wann immer durch Abgänge Posten frei wurden, solche Lücken zu füllen. Er wurde so durch einen allgemeinen Aufwärtssog langsam nach oben getragen und da er es vermied Fehler zu machen, gab es nie Gründe, ihn nicht zu berücksichtigen. 

Das funktionierte alles ganz wunderbar in den unteren Rängen, wo es viel zu tun, aber wenig zu ernten gibt. Aber als es um die Aufstellung ins nationale Parlament ging, bekam alles eine andere Dimension. Da sind Regierungsposten und später lukrative Aufsichtsratsmandate schon fast in Reichweite. Entsprechend wurden die Bandagen härter.

Die Aufnahme kursierte im Netz schon lange. Kann sein, dass Christoph sie mal auf einer Social-Media-Plattform gepostet hatte. Sie zeigt Christoph im Kreise seiner Kameraden der Jugendgruppe, wie sie aus vollen Kehlen singen. Wie der Journalist draufkam, das Gesangsbüchlein der Jugendgruppe ausfindig zu machen, ist uns rätselhaft. Dass auf der letzten Seite das Lied von den zehn kleinen Negerlein gedruckt war, konnte er wohl kaum wissen. Auch wir erinnerten uns nicht daran. Wer kennt schon nach 30 Jahren alle Lieder eines Liederbüchleins auswendig. 

Sei dem wie es wolle. Der Vorwurf, den er daraus konstruierte, war der eines Rassisten, der inbrünstig darüber singt, wie ein Negerlein nach dem anderen über die Klinge springen muss. Nur, um das ganze dann wieder von vorne beginnen zu lassen, nachdem das letzte Negerlein eine Negerfrau gefunden hat. 

Christoph beteuerte, dass er natürlich keineswegs Rassist sei und sich auch nicht an dieses Lied erinnern könne. Es war vorauszusehen, dass dies nicht helfen würde. Man hatte Blut gerochen. In weiteren Artikeln wurde Christoph der Lüge bezichtigt, denn gleichzeitig erschienen Interviews mit einem ehemaligen Jugendgruppenmitglied, welches versicherte, dass «Zehn Kleine Negerlein» eines der populärsten Lieder war und dass dieses bestimmt auch zum Anlass, bei dem das Foto gemacht worden war, gesungen worden war. Dass dieses Mitglied um Jahre älter war als Christoph, interessierte niemanden.

Mit Aussagen wie: «Es kann schon sein, dass ich dieses Lied mitgesungen habe, aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern.» oder «Damals war uns schlicht nicht bewusst, dass das Lied rassistisch interpretiert werden könnte» versuchte Christoph einen geordneten Teilrückzug, in der Hoffnung, die Kampagne würde an Dynamik verlieren und dann irgendwann ganz versanden. Das ging erwartungsgemäss nach hinten los. 

Der Presse gelang es auf der Basis dieser Äusserungen das Bild eines politisch unsensiblen Technokraten zu zementieren. Um der Schmach einer Nichtwahl zu entgehen, verzichtet er auf die Kandidatur und hängte die Politik an den Nagel. Er wolle doch lieber einer anständige Tätigkeit nachgehen und wechselte zu einer Bank.