Ökozid

Kann man meinen Abgang wirklich falsch verstehen? Eher scheint mir, will man sich mit der Vorstellung, jemand könnte aus ökologischen Motiven freiwillig aus dem Leben scheiden einfach nicht anfreunden. Dabei ist dies, konsequent durchgedacht, der einzig Weg seinen ökologischen Fussabdruck nachhaltig zu verringern. Alles andere ist Kosmetik.

Sollte ich etwa drauf verzichten, Fleisch zu essen und auf Tofu umstellen? Würde das wirklich etwas helfen? Ja, vielleicht. Ein Bisschen. Die Sojabohnen würden trotzdem in Monokulturen auf überdüngten Böden produziert und durch die halbe Welt verfrachtet. 

Sollte ich meinen Benziner verkaufen und ein Elektroauto erwerben? Die Werbung will mir weis machen, dass dies ökologisch sinnvoll ist. Aber könnte es sein, dass die bessere Ökobilanz am Auspuff endet. Und dass diese, über den ganze Lebenszyklus betrachtet, gar nicht besser ist.

Sollten wir unseren Geschirrspüler stilllegen und den Abwasch wieder von Hand erledigen? Aber wie kann ich beurteilen, ob Wasser und Energie so wirklich effizienter genutzt werden? Und um wie viele Prozent verbessert sich die Umweltbilanz? In welchen Einheiten messe ich diese Bilanz überhaupt?

Soll ich drauf verzichten, für die Ferien in die Karibik zu fliegen und dafür hier in Deutschland Urlaub machen, dann aber dafür eine deutsche Gastroangestellte nach Ibiza in den Urlaub fliegt?

Nein, man kann es drehen und wenden, wie man will, es hilft nichts. Jeder von uns stellt eine sprudelnde Quelle von Umweltbelastung dar, egal in welcher Richtung er sich gerade bewegt, unabhängig davon ob er schläft oder geht. 

Aber ich könnte mich im Grab umdrehen, wenn ich all die kritischen, spöttischen, wirren oder gar dummen Kommentare lese. Ich hätte mich in der Welt nicht zurecht gefunden. Ich sei schon immer leicht depressive gewesen. Oder ich hätte Schulden gehabt. Hätte ich zehntausende von Euro von der Bank abheben und demonstrativ verbrennen können, damit nicht jemand anders damit unseren Planten weiter verschmutzen kann – Geld ist am Ende nichts anderes als Umweltverschmutzung auf Vorrat -, wenn ich verschuldet gewesen wäre?

Hätte ich die Videobotschaft dramatischer gestalten sollen? Zum Beispiel mich von einem Bohrturm hängen? Mehr Aufmerksamkeit wäre mir gewiss gewesen, aber hätten Spötter nicht lediglich noch angefügt, es sei mir bloss um Publizität gegangen? Leiser abtreten? Auch keine Option, wenn gar niemand davon erfährt, hilft das dem Casus auch nicht. Nein, ich hätte mir bloss gewünscht, man schriebe etwas positiver über mein Opfer und ja, man würde mit einer gewissen Ehrfurcht von konsequentem Handeln sprechen. Oder dass ich gar als ökologischer Märtyrer in die Geschichtsbücher eingehen würde. So aber ergibt mein Leben definitiv keine Sinn. Es wäre besser gewesen, den ökologischen Wahnsinn weiter mitzumachen und dem Ökozid seinen Lauf zu lassen.

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