Dumpf-Tracker

Erstaunlich, wie die Beurteilung von Persönlichkeiten in der Geschichtsschreibung ändern kann. Als Präsident Dumpf sein Amt mit den Worten „Ich bin nicht länger bereit Präsident eines Landes zu sein, das mir nicht folgen will“ quittierte, waren sich Kommentatoren einig, dass er in die Geschichte eingehen wird, als der Präsident, der sich wie ein Elefant im Porzellanladen, durch unkluge Äusserungen bei öffentlichen Auftritten und seine berüchtigten Tweets, jeglicher Chancen für Allianzen beraubt und damit selber in die Handlungsunfähigkeit manövriert hatte.

Heute wird Präsident Dumpf mit dem Anfang vom Niedergang der Twitter-Politiker verbunden. Der aufmerksame Politikbeobachter weiss natürlich, dass es den Twitter-Politiker nicht erst seit Twitter gibt. Der Twitter-Politiker zeichnete sich ja dadurch aus, dass er mehr darauf bedacht war, zur richtigen Zeit, das Richtige zu tweeten, als Tag für Tag das Richtige zu tun. Er verliess sich darauf, dass den Wählern diese kurzen, prägnanten Nachrichten dauerhafter in Erinnerung bleiben, als die langsamen, schleichenden Verschlechterungen aus der Umsetzung seiner Politik.

In diesem Sinne war der Twitter-Politiker nur eine Weiterentwicklung des Schauspielpolitikers. Wohlgemerkt, es geht hier nicht um all die Schauspieler, die Politiker geworden sind. Es geht um Politiker, die Politik als Bühne verstehen, auf der sie die Hauptrolle spielen. Bereits dieser Typ war ja darauf bedacht, sich mit markigen Auftritten als Macher oder durch Reisen in Krisengebiete als beherzter Helfer darzustellen. Wissend, dass sich niemand dafür interessierte, was er Tag für Tag tatsächlich tat.

Schauspielpolitikern nachzuweisen, dass sie nicht mehr sind als eben Schauspieler, ist nicht ganz einfach. Es bedingt, dass sich jemand die Mühe macht, akribisch zu verfolgen, wie viele der Aussagen und Versprechungen sich später auch in Taten wiederfinden liessen. Das wäre natürlich nicht prinzipiell unmöglich gewesen, aber im Einzelnen waren es meist doch nicht genügend Aussagen, um daraus eine überzeugende Story zu bauen. Und da war Dumpf anders. Er tweetete mit solch hoher Frequenz und machte dabei oft sehr konkrete Versprechen, die sich einfach verfolgen liessen. Oft lehnte sich Dumpf dabei beängstigend weit aus dem Fenster. So zum Beispiel mit seiner Ankündigung: „Wir werden in drei Jahren auf dem Mond Öl fördern“. Solche Aussagen schrien förmlich nach dem Dumpf-Tracker.

Überraschend war eher, wie schnell sich Dumpf-Tracker weiterentwickelte und auf andere Politiker ausbreitete. Innert weniger Wochen war die Liste aller öffentlichen Behauptungen und Versprechen der meisten Bundes- und vieler Lokalpolitikern auf Dumpf-Tracker abruf- und beurteilbar. Viele Politiker waren erstaunt zu sehen, dass bereits in den darauffolgenden Wahlen die Dumpf-Tracker-Statistiken unübersehbare Spuren hinterliessen.

Und heute? Heute haben wir es mehrheitlich mit Politikern zu tun, die genau abwägen, was sie behaupten und versprechen. Mit jeder Rede wird eine entsprechende Begleitnotiz veröffentlicht, die detailliert darlegt, wie sie zu ihren Behauptungen kommen. Damit ist Politik sachlicher geworden, dafür sind Politiker heute so langweilig wie Deutsche Physikerinnen.

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