Die Kröte

Die Kröte geht mir nicht aus den Kopf. Mehrere Male war ich diese Nacht aufgewacht, um mich zu fragen, ob sie noch lebt.

Als ich gestern Abend von der Pizzeria zur Haltestelle der Strassenbahn ging, hockte sie da Mitten auf der Strasse. Sie schien nicht verletzt, aber sie bewegte sich nicht. Ich stiess sie mit der Fussspizte an, in der Erwartung, dass dies sie aufschrecken und sie dann von der Strasse hüpfen würde. Aber sie bewegte sich nur minimal und blieb in ihrer Kauerstellung hocken. Wahrscheinlich befand sie sich schon in einer Art Kältestarre, lagen doch die Temperaturen des Nachts noch immer nur geringfügig über dem Gefrierpunkt. Auch weitere Schubser mit der Schuhspitze konnten die Kröte nicht dazu bewegen, sich von der Strasse zu begeben.

Mit diesem Verhalten brachte sie sich natürlich in akute Gefahr. Zwar würde die Seitenstrasse in der Nacht nur spärlich befahren werden, aber spätestens gegen Morgen, wenn alle wieder zur Arbeit fahren würden, dürfte der Verkehr stark anschwellen. Und das wäre dann wohl ihr Todesurteil.

Ich spürte die Verpflichtung, die Kröte in Sicherheit zu bringen, hilflos wie sie war. Aber mit der Schuhspitze liess sich das offensichtlich nicht bewerkstelligen. Sie mit dem Fuss von der Strasse schieben, wollte ich auch nicht wagen. Ich fürchtete, ich könnte sie verletzen. Ich suchte mir also zwei Zweige und versuchte, diese behutsam unter die Kröte zu schieben, ohne sie zu verletzen, um sie dann auf den Zweigen von der Strasse zu tragen. Aber kaum hatte ich die Kröte angehoben, kippte sie mir auch schon wieder runter. Nach dem dritten Versuch gab ich auf. Irgendwie fehlte mir jetzt die zündende Idee, was als nächstes versucht werden könnte. Auch konnte ich nicht ewig hier den Retter spielen, denn nachts fahren die Strassenbahnen nicht mehr so häufig und ich war müde. Und natürlich kam es nicht in Frage, die Kröte noch schnell mit der Hand zu packen, um sie von der Strasse zu befördern. Am Ende ist das Viech ja auch ein bisschen selber schuld, dass es so eklig ist, dass man es nicht berühren will. Und so liess ich die Kröte halt liegen und beeilte mich, die Strassenbahn zu erwischen.

Aber die verfluchte Kröte liess mich nicht in Ruhe. Schon bei der Fahrt mit der Strassenbahn, musste ich mir von mir selber die Frage gefallen lassen, ob es denn wirklich so schlimm gewesen wäre, die Kröte zu berühren, wenn dies sie gerettet hätte. Und wie gesagt, ging es während der Nacht mit ähnlichen Gedanken weiter.

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