Das Mal

Ich schaue in den Spiegel, wie jeden Morgen. Und ich tue dies, wie jeden Morgen, etwas ängstlich. Ich fürchte, das purpurrote Mal, welches sich um mein rechtes Auge ausbreitet, könnte nur in meinen Träumen existieren und würde dem Realitätstest durch den Blick in den Spiegel nicht standhalten.

Dabei ist diese Angst völlig unbegründet. Hatten mich meine Altersgenossen doch seit Beginn der öffentlichen Erziehungsphase mit dem Übernamen Feuerkopf verletzt. Für lange Zeit hatte ich gehofft, in den Spiegel zu schauen und festzustellen, dass mein Mahl bloss das Ergebnis eines Albtraumes ist. Seit ich bei der Schau durchgefallen bin, ist dies umgekehrt.

Natürlich hatte ich es nie gewagt, es offen auszusprechen, dass mir der Dienst zuwider sein würde. Den NONSOZ Eintrag zu riskieren, wäre trotz allem schlimmer gewesen, als der Dienst selber. Dies hätte bedeutet, bei allen Gelegenheiten in Zukunft denjenigen ohne Einträge den Vorrang zu geben.

Und trotzdem, die Vorstellung, dass jemand über die Intimität meines Körpers verfügen sollte, erfüllt mich mit Abscheu. Der Dienst wird ja auch selten von jenen in Anspruch genommen, denen man seinen Körper freiwillig angeboten hätte. Im Gegenteil, der Dienst musste zur Umsetzung des „Rechts auf körperliche Liebe“ eingeführt werden.

Anfänglich war der Kreis derer, die aus diesem Recht Ansprüche ableiten konnten, sehr eng gefasst. Vor allem durch Unfälle Verunstaltete und solche mit starken körperlichen und geistigen Behinderungen. Damals hatte es noch ausgereicht, die Inanspruchnahme gewerblicher Dienste durch die Gemeinschaft zu tragen. Mit zunehmender Ausweitung des Kreises der Begünstigten, konnten die Bedürfnisse nicht mehr auf diese Weise befriedigt werden. Es wurde zu kostspielig. Und so musste die allgemeine Liebesdienstpflicht eingeführt werden.

Es ist nicht so, dass jemand durch den Dienst körperlich zu Schaden gekommen wäre. Vorallem die medizinische Betreuung während dieser Zeit ist hevorragend. Aber es gibt Gerüchte, die von Fällen berichteten, wo Individuen nach Absolvierung des Dienstes nicht mehr in der Lage gewesen sein sollen zu lieben.

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